Verkehr in Stockholm - Umgehung mit Hindernissen

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Karsten
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Verkehr in Stockholm - Umgehung mit Hindernissen

Beitrag von Karsten »

Stockholms Straßen platzen aus allen Nähten. Die inselreiche Struktur der Stadt ist schon lange eine Herausforderung für Verkehrsplaner. Die vorhandenen Verbindungen über eine begrenzte Anzahl Brücken reichen nicht für die wachsende Hauptstadtregion. Nach langem Streit ist nun die Streckenführung der neuen Umgehungsstraße, der „Förbifart“, westlich der Innenstadt beschlossen. In einem großen Bogen soll sie die südlichen Teile Stockholms mit dem Norden verbinden.

Welterbetitel in Gefahr?
Schon jetzt tummelt sich ein Fünftel der Bevölkerung Schwedens in der Großregion Stockholm. Bis 2030 soll Einwohnerzahl auf knapp 2,5 Millionen anwachsen. Und die Verkehrsplanung kommt nicht mit. Der Verkehr auf dem Weg von Nord nach Süd mitten durch die Stadt wird im Prinzip durch den inneren Ring entlastet. Dazu gehört im Osten der so genannte Essingeleden. Die Umgehungsstraße über die Inseln Stora und Lilla Essingen wurde bereits 1967 eingeweiht. Seitdem ist die Nord-Süd Streckenkapazität nicht mehr ausgebaut worden. Der Essingeleden war ursprünglich für rund 80.000 Fahrzeuge täglich ausgelegt, heute sind es doppelt so viele.

Das überlastete Wegenetz ist anfällig für Störungen. Schnell kommt es bei Baustellen oder nach Unfällen zu langen Staus. Ab dem kommenden Jahr soll daher an der neuen westlichen Umgehungsstrecke, die Norden und Süden der Großregion verbindet, gearbeitet werden. Hauptsächlich als Tunnel gebaut, soll die über 20 km lange Strecke in 10 Jahren fertig sein und umgerechnet etwa 3 Milliarden Euro (28 Mrd. SEK) kosten.

Im südwestlichen Huddinge soll die „Förbifart“ an den Europaweg E4 anschließen, dann führt die Strecke über Lovön und schließlich in nordöstlicher Richtung nach Sollentuna. Auf Lovön steht auch das königliche Schloss Drottningholm, Wohnsitz der schwedischen Royals und samt seiner Parkanlagen Weltkulturerbegut. Wilfried Lipp von ICOMOS, einer Nicht-Regierungsorganisation, die die UNESCO bei Weltkulturerbefragen berät, erklärt:

„Die Stätte ist aufgenommen worden wegen OUVs, die nachgewiesen worden sind, also Outstanding Values, zuerkannt dem Bau als solchem, aber auch der Umgebung, der Kulturlandschaft, den Gärten, also dem Gesamtareal. Und es ist klar, dass jedes Projekt, das so massiv in dieses landschaftlich überlieferte Gefüge der Umgebung des Schlosses eingreift, dass es hier ein Konfliktpotenzial gibt.“

Bald vierspurig entlang des Schlosses?
Auch wenn die Umgehung auf Lovön unterirdisch verläuft, hat der Bau Konsequenzen. Der Ekeröväg überquert die Insel und verläuft schon jetzt durch die Weltkulturerbelandschaft entlang des Schlosses. Zwei neue Autobahnkreuze schaffen Zufahrten zum Tunnel und sorgen dafür, dass der Ekeröväg ausgebaut werden muss. Entlang des Schlosses soll der Weg vierspurig werden. Icomos sieht den Status des Weltkulturerbes in Gefahr und hat den Verkehrsplanern seine Sorgen in einem Brief mitgeteilt.

„Nach dem Bericht den Icomos Schweden geliefert hat, wird klar, dass es sich hier um große Probleme dieses Projekts handelt. Im Hinblick auf die Authentizität und auf die visual integrity, weil die Straße, die schon existiert verbreitert und noch einmal aufgewertet wird, weil es Verkehrsprobleme gibt, und weil das Untertunnelungsprojekt, dieser Bypass mit seinen Aus- und Einfahrten in der Pufferzone liegt und sich negativ auswirkt, und auch die Lüftung ist ein Problem.“

Um durch den Weltkulturerbetitel geschützt zu sein, muss Drottningholm also authentisch bleiben und sich natürlich in die Kulturlandschaft einfügen – genau das ist in Gefahr. Die zuständige Kulturministerin Lena Adelsohn Liljeroth macht sich über den Brief der UNESCO-Berater jedoch keine Sorgen. Gegenüber dem Schwedischen Fernsehen sagte sie, die Planer der Verkehrsbehörde müssten sich nun mit ICOMOS auseinandersetzen und erklären, dass durch die Verbreiterung der Straße das Welterbe nicht in Gefahr sei. Die Gemeinde der Insel Ekerö, die von dem Ausbau durch einen besseren Verkehrsanschluss profitiert, hatte sich die Verbreiterung gewünscht. Icomos würde sich aber das Gegenteil wünschen, so Wilfried Lipp.

Aberkennung des Titels noch nicht in Sicht
„Natürlich wäre es besser, wenn hier ein Rückbau erfolgen könnte. Das ist in den seltensten Fällen der Fall. Jetzt ist es aber kein Rückbau, sonder ein Ausbau, das Gegenteil ist der Fall und insofern läuten die Alarmglocken.“

Den zuständigen Behörden und Gemeinden bleibt vermutlich nur, die Alarmglocken zu ignorieren. Denn die Umgehung und damit auch der Ausbau der Straße sind für eine Verbesserung der Verkehrssituation – zumindest was den Autoverkehr betrifft – fast unvermeidbar.

In Deutschland hatte vor einigen Jahren der Bau der so genannten Waldschlösschenbrücke in Dresden dazu geführt, dass dem Elbtal der Weltkulturerbetitel aberkannt wurde. Auch hier lag der Konflikt zwischen Verkehrsplanung und Welterbe. Wilfried Lipp möchte aber nicht so weit gehen und darüber spekulieren, ob Drottningholm ein Eintrag in die Liste der gefährdeten Weltkulturerbestätten droht.

„Das ist ein Appell von Icomos. Icomos hat nichts zu entscheiden, die Entscheidung liegt beim Welterbekommittee, das letztes Jahr in Paris getagt hat und im kommenden Jahr in Sankt Petersburg tagen wird. Das hängt jetzt davon ab, wie die Sache weiterläuft.“

Was den Titel betrifft, bleibt es also spannend. Drottningholm war Schwedens erste Weltkulturerbestätte. Seit 1991 gehört das Schloss aus dem 17. Jahrhundert zu den mittlerweile 14 Welterbestätten des Landes.

(Quelle: Radio Schweden)


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Karsten
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Bau der Umgehung verzögert sich

Beitrag von Karsten »

Der Bau der westlichen Umgehungsstraße „Förbifart“, die den Nord-Süd-Verkehr durch Stockholm entlasten soll, wird sich um ein Jahr verschieben. Wie die Tageszeitung Dagens Nyheter berichtet, fehlen für den Start notwendige Genehmigungen. So müssen etwa für den Abtransport von Gestein künstliche Häfen angelegt werden, zudem benötigen die Bauherren Genehmigungen für den Tunnelbau. Ein Großteil der Umgehung wird unter der Erde verlaufen. Ein weiterer Grund für die Bauverzögerung können Bedenken sein, wie ein Ausbau der Straße durch das als Unesco-Kulturlandschaft gekennzeichnete Gebiet um Schloss Drottningholm aussehen könnte.

(Quelle: Radio Schweden)


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Lottalein
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Re: Verkehr in Stockholm - Umgehung mit Hindernissen

Beitrag von Lottalein »

Die sollten lieber gestern als heute anfangen....aber ich fürchte, der Verkehr in Stockholm wird sowieso irgendwann kollabieren - auch im öffentlichen Verkehrsnetz.


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