Debatte in Schweden: Dutzen, Sietzen oder Nizen?

goteborgcity
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Re: Debatte in Schweden: Dutzen, Sietzen oder Nizen?

Beitrag von goteborgcity »

Hej Framsidan,

bevor Du Deine Meinung abgibst, so solltest Du vielleicht den Artikel lesen:
http://www.spiegel.de/schulspiegel/0,15 ... 18,00.html

Dass man "tschüss" bei Abschied sagt ist klar und ich wollte auch nur ein Beispiel bringen. Es soll ja nicht nur "tschüss" verbannt werden, sondern auch "hallo", denn es heisst "Auf wiedersehen" und "Grüss Gott", wenn man es genau nimmt.

Viele Grüsse

Herbert


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Framsidan
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Re: Debatte in Schweden: Dutzen, Sietzen oder Nizen?

Beitrag von Framsidan »

goteborgcity hat geschrieben:..

Aber das liegt einfach an der Zeitströmung, denn ich las heute im Spiegel, dass in einer Schule in Passau das "Tschüs" verboten wurde, weil man in Bayern "Grüss Gott" sagt und kein norddeutsches "Tschüs". Ok, der Schuldirektor weiss nicht, was das Tschüs etymologisch bedeutet ....

In diesem Sinne viele Grüsse aus Göteborg

Herbert
Darauf antwortete ich Herbert und da setzt du Tschüss mit Grüss Gott gleich oder?


goteborgcity
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Re: Debatte in Schweden: Dutzen, Sietzen oder Nizen?

Beitrag von goteborgcity »

Hej Framsidan,

ich habe erstens auf den ganzen Artikel im Spiegel hingewiesen und wollte eigentlich nicht alles wiederholen, sondern nur auf das bayerische Sprachsezieren aufmerksam machen, das für mich reiner Rassismus ist. Dabei habe ich leider vergessen, dass Du bei jeder Aussage den winzigsten Fehler suchst und Dir das Thema als solches gar nicht so wichtig scheint. Aber das spielt ja auch keine grosse Rolle.

Ich will nun auch nicht weiter auf Bayern eingehen, wo man ohnehin nicht wissen will was "tschüss" sprachgeschichtlich wirklich bedeutet, sondern auf dien Verwandlung der Sprache zurückkommen.

Jede Sprache, ob jetzt Deutsch oder Schwedisch verändert sich selbst innerhalb einer Jahrhunderts etwa dreimal und ist generationsbezogen, entwicklungsbezogen, gesellschaftsbezogen und hängt selbst mit touristischem Verhalten zusammen. Wer sich nicht in mehreren Gesellschaftschichten gleichzeitig, unter allen Altersschichten gleichzeitig usw. bewegt, wird von dieser Entwicklung gar nichts mitbekommen. Und selbst wenn Eltern ihren Jugendlichen verbieten die neue Jugendsprache zu Hause zu verwenden, so wird sich diese Sprache entwicklen und sich verändern.

Aber das Problem dabei ist, dass die Mehrheit der Bewohner aller Länder einfach ihren eigenen Weg ehen will und sie lesen jeweils dem Alter angepasste Zeitungen und Zeitschriften, lesen nur Bücher, die im "eigenen" Stil geschrieben wurden usw. weil die Mehrheit einfach Angst vor jeder Veränderung, vor jeder neuen Entwicklung hat. Innerhalb der Gesellschaftsschichten ist es noch problematischer, denn man sucht keine Berührungspunkte und jede Gesellschaft verhindert mit tausenden von Barrieren eine Vermischung. Man geht in unterschiedliche Restaurants, besucht unterschiedliche Veranstaltungen ... und spricht zwei verschiedene Sprachen. Auch Schweden ist hier nicht anders als andere Länder. Und so lange jede Gruppe sich selbst als die wichtigste nimmt und glaubt alles genau zu wissen, so lange wird sich unsere Gesellschaft in keine humane Gesellschaft entwickeln, sondern mit Vorurteilen ein Weltgebilde entwickeln, das nur jenen nützt, die an der Macht sitzen und mit der Macht spielen.

Sprache findet man auch nicht in einem Lexikon, einem Wörterbuch oder sonst einem offiziellen Organ, denn sie entwickelt sich mit Bücher, mit der Presse und auf der Strasse. So lange man sich daher nur in seiner kleinen Welt bewegt, sieht man nicht, dass bereits 100 Meter davon entfernt eine andere Welt existiert, und eine andere Sprache. Sicher kann man jede Sprachbewegung analysieren und in ein wissenschaftliches Schema pressen, aber das heisst noch lange nicht, dass man damit die Wahrheit erfasst hat. Eine Sprachentwicklung ist auch weder positiv oder negativ, sondern Teil einer dynamischen Bewegung, einer Entwicklungsgeschichte. Ich habe in letzter Zeit mehrere Bücher sehr junger Autoren gelesen, bei denen ich auf Sprachprobleme gestossen bin, aber dank Facebook konnte ich die neuen Worte erlernen und erklärt bekommen und ein Stück Sprachentwicklung erleben.

Und um auf das ursprüngliche Thema zurückzukommen: Die FAZ wird nicht gerade von jedem gelesen, auch nicht in Deutschland. Und hier in Schweden wird man nicht in jeder Schicht zum "Ni" zurückkehren, aber es ist Teil einer Bewegung. In Deutschland was das Du und der Vorname auch schon auf dem Vormarsch und fiel heute in ein distantes "Sie" zurück und Personal trägt oft keine Vornamen mehr auf den Namensschilder, sondern nur noch den Familiennamen, so nach dem Motto "Komm mir nur nicht zu nahe!" Das ist eben Sprachentwicklung, ob man es wahr haben will oder nicht.

Viele Grüsse

Herbert


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knut245
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Re: Debatte in Schweden: Dutzen, Sietzen oder Nizen?

Beitrag von knut245 »

Ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen: Sprache entwickelt sich nicht von selbst und aus sich heraus, sondern als Reaktion auf gesellschaftliche Umstände. Im folkshem, in dem alle ungefähr gleich wichtig sind und niemand besonders hervorstechen will, betont das Du natürlich die Gleichrangigkeit. Doch Schweden entfernt sich davon, wie mal vielen Kommentaren hier entnehmen kann, und geht denselben Weg, den Deutschland und insbesondere die USA und England schon vor ihm gegangen sind, hin oder besser: zurück zu einer Überhöhung der Marktwirtschaft mit all den Folgen, die wir derzeit erleben dürfen. Verbunden mit einer Glorifizierung des Individuums ("Verwirkliche Dich selbst!", "Geh Deinen Weg, was immer auch passiert!"). Dazu braucht man natürlich Distanz - und die lässt sich mit dem Sie erheblich besser ausdrücken als mit dem doch irgendwie letztlich Du. Und mit einem Ni, das wohl von vielen als herablassend verstanden wird (und früher auch so verwendet wurde), kann man sich natürlich prima der Illusion hingeben, man hätte es geschafft, sich über die anderen zu erheben - the American Dream...


aStrangeWorld
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Re: Debatte in Schweden: Dutzen, Sietzen oder Nizen?

Beitrag von aStrangeWorld »

Hej knut245,

m.E. passt das nicht so ganz, denn in den USA gibt es ja auch nur eine Anrede für alle. Dafür sind, soweit ich es erfahren habe, die Firmen (zumindest im IT Bereich) starrer und hierarchischer organisiert als in Deutschland, man kommuniziert nur bis zum nächsthöheren bzw. niedrigeren Rang (macht es nicht wirklich einfacher). Vereinheitlichte Anrede bedeutet vermutlich nicht unbedingt Gleichrangigkeit...

Ich denke allerdings, dass die Fettnäpfchenwahrscheinlichkeit beim Duzen in Schweden noch sehr klein ist...

Grüße, Ricarda


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Re: Debatte in Schweden: Dutzen, Sietzen oder Nizen?

Beitrag von knut245 »

Hej Ricarda,

das stimmt, allerdings gibt es im Englischen auch keine distanziertere Anrede, zu der man zurückgehen könnte. Jedenfalls nicht mehr seit dem 15. Jahrhundert. Damit sich das noch ändert, müsste sich Englisch schon durch eine "unterscheidende" Sprache beeinflussen lassen. Vielleicht wird ja Deutsch oder Französisch irgendwann dort mal cool. Dann könnte sich das einschleichen. Glaub ich aber nicht.

Und eine gleiche Anrede bringt auch sicher keinen gleichen Rang hervor - umgekehrt schon eher. Deswegen meine ich ja, die Sprache ist eine Reaktion auf die Umstände.

Hälsningar
k


goteborgcity
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Re: Debatte in Schweden: Dutzen, Sietzen oder Nizen?

Beitrag von goteborgcity »

Hej Ricarda und Knut,

auch im Englischen kann man in der Art wie man sich ausdrückt den Unterschied zwischen dem you-DU und dem you-SIE erkennen. Der Unterschied ist eigentlich nur an der Wortwahl und auch der Betonung zu sehen, aber das Ziel sich unterscheiden zu wollen ist das Gleiche.

@Ricarda
Das mit dem Fettnäpfchen ist eigentlich für Nicht-Schweden gleich Null, da allein die Höflichkeit der Schweden dies verhindert, wobei es auch (noch nicht) allgemein verbreitet ist. Ich würde sagen, dass man sich da keinerlei Gedanken machen muss.

Viele Grüsse

Herbert


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