Stockholm - Die Hauptstadt und das Rad

Antworten
Karsten
Site Admin
Beiträge: 14317
Registriert: 9. Juni 2008 00:52
Wohnort: Lübeck
Hat sich bedankt: 2 Mal
Danksagung erhalten: 49 Mal

Stockholm - Die Hauptstadt und das Rad

Beitrag von Karsten »

In den letzten 15 Jahren hat sich die Zahl der Radfahrer in der schwedischen Hauptstadt mehr als verdoppelt. Zu Hauptverkehrszeiten radeln 55.000 Stockholmer allein im Zentrum der Innenstadt. Zudem gibt es immer mehr, die mit dem Rad zur Arbeit pendeln. Dieses erhöhte Verkehrsaufkommen lässt das Radwegenetz aus allen Nähten platzen. Derzeit arbeitet die Stadt Stockholm an einem Plan für die Verbesserung des Radwegenetzes, der bis Ende Herbst vorgelegt werden soll.

Verkehrsplaner: "Wir stehen unter Druck."
Erfahrungen auf zwei Rädern sind in Stockholm sehr unterschiedlich. Die einen befinden sich auf dem eiligen Weg zur Arbeit im ständigen Zweikampf mit Autofahrern. Die anderen ärgern sich, dass sie auf den schmalen Radwegen nicht zum Überholen kommen. Diese sind oft auf einer Straßenseite für Radfahrer in beide Richtungen angelegt und nur wenige Meter breit. Gesellschaftspolitisch ist es wünschenswert, dass mehr Menschen Radfahren. Das hält gesund und ist gut für die Umwelt. Aber die Verkehrspolitik muss dem auch gerecht werden.

„Die Menschen haben angefangen, mehr Rad zu fahren und die Vorteile entdeckt. So entsteht mehr Druck. Die Politik kann das nicht ignorieren. Wir verzeichnen ja einen Anstieg im Verkehrsaufkommen. Seit den letzten acht Jahren haben wir fast 100 Prozent mehr Radfahrer hier in Stockholm. Das ist eine ganze Menge und das merken wir. Wir stehen unter Druck, die Situation zu verbessern.“

Anton Västberg ist Abteilungsleiter für strategische Verkehrsplanung in Stockholm und verantwortet den Cykelplan, zu deutsch: „Fahrradplan“, der Verbesserungen im Fahrradwegenetz empfiehlt. Zuletzt wurde die Verkehrssituation für Radfahrer vor fünf Jahren unter die Lupe genommen.

„Wir hatten 2006 einen Verkehrsplan für die Innenstadt, und einen für die Vororte. Und viele Maßnahmen aus dem alten Cykelplan haben wir bereits umgesetzt. Aber mit der Verkehrszunahme steigt der Druck und nun sehen wir die Notwendigkeit, einen neuen Plan zu machen, der sich auf die ganze Stadt bezieht, und nicht zweigeteilt ist, sondern sich stattdessen der Gesamtheit widmet.“

Denn im neuen Cykelplan sollen laut Västberg besonders die Bedürfnisse der Radpendler berücksichtigt werden. Dazu gehört auch, dass Radpendler ihre Räder im Zug mitnehmen können. Derzeit ist das in Zügen nur begrenzt möglich, laut der Stockholmer Verkehrsgesellschaft ist der Hauptbahnhof etwa für Fahrradpendler tabu. Auch in der U-Bahn dürfen keine Fahrräder mitgenommen werden. Bereits im alten Cykelplan hatte man darauf hingewiesen, dass etwa die neue Citybahn für Fahrradpendler Platz haben sollte. Die unterirdische Nord-Süd-Verbindung soll 2017 in Betrieb genommen werden. Zudem soll das System der Leihräder ausgebaut werden. Noch laut der alten Planung bis 2014 sollen 1.500 Leihräder in der Innenstadt bereitstehen. Momentan sind es 1250, die an knapp hundert Leihstellen für einige Stunden ausgeliehen werden können.

Ausbau der Pendlerradwege im Fokus
Für Radfahrer, die die gesamte Strecke mit dem Rad zurücklegen, gelten andere Prioritäten. Im Durchschnitt fahren sie in Stockholm 9 km zur Arbeit. Dabei sind sie auf zusammenhängende Strecken angewiesen. Den Ausbau der Pendlerradwege wünscht sich auch Eva Lind-Båth von der Radfahrer-Vereinigung Cykelfrämjandet.

„Die Vehrkehrsplaner haben es oft falsch eingeschätzt, welche Distanz man bereit ist zur Arbeit zu pendeln. Und mit den heutigen neuen Rädern kann man durchaus 20 km fahren. Aber das setzt natürlich voraus, dass die Radwege gut sind und es keine Hindernisse gibt. Wir wünschen uns daher den Ausbau der regionalen Strecken, und die sollten über so lange Strecken zusammenhängend sein, dass man über 20 km zur Arbeit pendeln kann.“

Ein Beispiel: Die etwa 12 km lange Pendelstrecke von Farsta, einem der südlichen Vororte, in die Innenstadt.

„Das ist ein relativ guter Radweg, von Farsta ins Zentrum. Aber unterwegs ist man plötzlich gezwungen, die Straßenseite zu wechseln und auf der Straße weiterzufahren. Wenn man sich nicht auskennt, findet man den Weg nicht. Die gesamte Strecke ist also nicht richtig durchdacht.“¨

Anton Västberg ist hier mit Eva Lind-Båth einer Meinung:

„Heute verschwindet der regionale Radweg von Zeit zu Zeit in den Wohngebieten und es ist sehr schwer, da als Radfahrer mitzukommen und die Strecke zu finden. Außerdem dauert es dadurch länger. Daher gibt es die Idee, einen Radweg entlang des Nynäsvägen zu bauen. So dass man eine gerade Strecke hat, die einfach zu finden und auch leicht instand zu halten ist.“

Der Nynäsväg ist eine der wichtigsten Nord-Süd-Verbindungen, eine gerade Strecke von den südlichen Vororten wie Farsta ins Zentrum. Eine zügige Strecke entlang der Straße könnte vielen Radlern Zeit sparen, löst aber längst nicht alle Probleme.

Überlastete Knotenpunkte in der Innenstadt
So drängen sich in den Hauptverkehrszeiten viele Radfahrer an den Knotenpunkten. Zum Beispiel am Übergang vom südlichen Stadtteil Södermalm zur nördlichen Innenstadt. Am Flaschenhals „Slussen“ sind es allein hier über 10.000 Radfahrer täglich. Es ist eng auf Stockholms Radwegen, das weiß auch Anton Västberg.

„Es ist sehr gedrängt. Wir haben auch vielleicht Fehler gemacht, in der Vergangenheit. Unsere Radwege haben eine gewisse Breite, ganz unabhängig davon, wie viele Radfahrer darauf unterwegs sind. Nicht so, wie etwa in Kopenhagen. Wir haben viel zu lernen, und die Radwege müssen ganz einfach breiter werden. Es ist heute sehr schwer, jemanden auf einem Radweg zu überholen, ohne dass es gefährlich wird.“

Vor allem die Knotenpunkte wie „Slussen“ sollen weiter entlastet werden, denn diese Stellen sind weiterhin gefährlich für Radfahrer. Durch ein erhöhtes Verkehrsaufkommen steigt zum einen die Gefahr, wenn es zum Gedränge auf den Straßen kommt, zum anderen steigt aber auch die Sensibilität für Radfahrer als Verkehrsteilnehmer. Dadurch gibt es nach Angaben der Tageszeitung Svenska Dagbladet auch nicht mehr Unfälle als in den letzten Jahren. 2010 gab es in der Innenstadt etwa 600 Unfälle. Mehr Radfahrer schafften mehr Aufmerksamkeit und das Risiko je Radfahrer sinke, so das Blatt.

Durch breitere Radwege, neue Strecken und die Entlastung der Knotenpunkte soll Radfahren in Stockholm weniger gefährlich aber auch attraktiver werden. Zudem sind spezielle Verkehrsregeln für Radfahrer in der Diskussion. So soll es etwa möglich sein, bei Rot rechts abzubiegen. Eine solche Regelung entspräche etwa dem grünen Rechtsabbiegerpfeil in Deutschland. Eva Lind-Båth sei eine solche Regelung möglich, da Radfahrer in der Regel einen guten Überblick an Kreuzungen hätten.

„Das Beste wäre jedoch ein Umbau der jeweiligen Kreuzung, sodass die rote Ampel für Radfahrer nicht gilt. Das hat man hier in Stockholm an der Oper ganz gut umgesetzt. Hier führt der Radweg rechts an der Ampel vorbei.“

Der Umbau einer Kreuzung würde Ausnahmeregelungen für Radfahrer unnötig machen. Doch Umbaumaßnahmen kosten Geld. Und trotz eines erhöhten Fahrradaufkommens investiert die Stadt nicht mehr als in den vergangenen Jahren. Eva Lind-Båth und ihr Radfahrerverband wünschen sich daher als allererstes finanzielle Eingeständnisse. Der alte Cykelplan hatte empfohlen, jährlich bis zu 6,5 Millionen Euro (60 Mio. SEK) zu investieren. Laut Svenska Dagbladet ist es in diesem Jahr nur die Hälfte gewesen.

(Quelle: Radio Schweden)


Advertisement
Schwedisch bequem online von zu Hause aus lernen - klicke auf das Bild für weitere unverbindliche Informationen:



Tragetasche "Dalapferde" - für weitere Infos hier klicken:

Karsten
Site Admin
Beiträge: 14317
Registriert: 9. Juni 2008 00:52
Wohnort: Lübeck
Hat sich bedankt: 2 Mal
Danksagung erhalten: 49 Mal

Stockholm setzt aufs Rad

Beitrag von Karsten »

Ein Großteil des Budgets im neuen Haushaltsvorschlag der bürgerlichen Mehrheit in Stockholm soll in den kommenden Jahren für das Fahrrad ausgegeben werden. Man wolle aus Stockholm eine Fahrradstadt machen, nach dem Vorbild Kopenhagens, sagte Per Ankersjö von der Zentrumspartei gegenüber der Tageszeitung Svenska Dagbladet. Nach Angaben der Zeitung sollen für neue Radwege, Fahrradpumpen und Parkplätze bis 2018 jährlich rund 22 Millionen Euro ausgegeben werden. Das ist mehr als sieben Mal soviel wie bisher. Neben Ausgaben rund um das Zweirad sind Ausgaben im Bereich Wohnungsbau, Grundschulen, Straßenbau, Müllsortierung und Altenpflege geplant.

(Quelle: Radio Schweden)


Antworten

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 11 Gäste