Politische Woche in Almedalen

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alltomsverige
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Politische Woche in Almedalen

Beitrag von alltomsverige »

Am 25. Juli 1968 kletterte der sozialdemokratische Bildungsminister Olof Palme in Almedalen, außerhalb der Ringmauer von Visby, auf die Ladefläche eines LKW und hielt vor einigen hundert Zuhörern eine Rede. Er und Krister Wickman, zu dieser Zeit Wirtschaftsminister, waren beide als Sommergäste auf Gotland. Sie wurden von den lokalen Parteifreunden gebeten, hier aufzutreten.

Bis zum Sommer 2013, 45 Jahre später, entwickelte sich aus dem kleinen improvisierten Auftritt, die mittlerweile unter dem Namen “Almedalsveckan” bekannte größte politische Sommerveranstaltung Schwedens.

Jene Woche im Juli ist mittlerweile ein Muss, nicht nur für die politischen Parteien. Hier wimmelt es von Interessensorganisationen, Lobbyisten, PR-Konsultern, Think Tanks und Medien, kurz gesagt, alle die im politischen System Schwedens netzwerken wollen oder ihre Meinung in gesellschaftlichen und politischen Fragen positionieren möchten.

Nach Palmes Rede 1968 war es auch schon wieder vorbei. Im darauffolgenden Jahr gab es keine Rede. Ab 1970 war es wieder Olof Palme der auftrat. Ihm, dem kongenialen Medienprofi, war es wohl bewusst, dass es keine einfachere Möglichkeit während des Sommers gibt, die Medien für seine politischen Anliegen zu interessieren, als während seines Sommerurlaubs auf der Schweden liebsten Urlaubsinsel öffentlich aufzutreten. Schon 1973 waren das schwedische Fernsehen, Radio und die größten Tageszeitungen des Landes vor Ort um zu berichten.

Das Interesse der bürgerlichen Parteien war anfangs gering. Erst 1976 begaben sich der Chef der Moderaten, Göster Bohman und Per Ahlmark von der Folkpartiet nach Gotland. Die erste Frau die in Almedalen eine Rede hielt, war im jahr 1979 die Parteichefin der Centerpartiet, Karin Söder.

Nach den Schüssen am Sveavägen im Jahr 1986, glaubten viele Beobachter, dass die politische Woche in Almedalen mit dem Tod von Olof Palme zu Ende gehen würde. Zu stark war sie mit ihm verbunden. Palmes Nachfolger im Amt, Ingvar Carlsson, vermied es in seinen ersten Jahren im Amt, aus Respekt vor seinem Vorgänger, in Almedalen aufzutreten.

Am Beginn der 1990er Jahre formte sich die politische Woche in Almedalen zu dem, was sie heute ist und etliche Politiker nutzten ihren Urlaubsaufenthalt auf Gotland um in der Kalenderwoche 27 auch bei der politischen Woche in Almedalen aufzutreten. Hier einige Beispiele:

Olof Palme – früherer Ministerpräsident. Stuga auf Fårö zwischen Ava und Sudersand. Lisbeth Palme urlaubt auch heute noch dort.

Thomas Bodström (Sozialdemokrat) – früherer Justizminister, heute u. a. Krimiautor. Nördlich von Suderstrands camping auf Fårö.

Jan O Karlsson (Sozialdemokrat) – früherer Migrationsminister, Stuga einige Kilomter südlich von Fårö kyrka.

Olle Wästberg (Folkpartiet) – früherer Klubchef, Stuga in Ava auf Fårö.

Ebba Lindsö (Kristdemokraterna) – Mitglied des Parteivorstands, Stuga in der Nähe von Sudersands camping auf Fårö.

Per Schlingmann (Moderaterna) – früherer Parteisekretär, Stuga einige Kilometer südlich von Vamblingbo kyrka.

Ola Ullsten (Folkpartiet) – früherer Ministerpräsident, Stuga einige Kilometer südlich von Grötlingbo kyrka.

Ingvar Carlsson (Sozialdemokrat) – früherer Ministerpräsident, Stuga in Nyhamn, 17 km nördlich von Visby.

Ewa Björling (Moderaterna) – Handelsministerin, Stuga einige Kilometer westlich von Havdhem im Süden der Insel.

Besonders interessiert achten die Medien natürlich auf die Rhetorik und die Inhalte die von den Parteien in Almedalen vermittelt werden. Hier ein kurzer Überblick:

Kristdemokraterna: Die Familie ist in den Reden der christdemokratischen Politiker/innen wichtig. Die Schlüsselwörter sind Eltern und Familie, deren Bedeutung und ökonomische Situation. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Ethik, in der Art eines gemeinsamen, gesellschaftlichen Verständnisses von Richtig und Falsch.

Centerpartiet: Die Centerpartiet ist jene bürgerliche Partei die in Almedalen in der Hauptsache über die Zusammenarbeit in der Allianz spricht und oft die ihrer Meinung nach positiven Reformen beleuchtet. Unternehmer und Unternehmensgründer werden immer wieder als die Sicherer des Wohlstands und Schöpfer von Innovationen genannt. Von Nachhaltigkeit wird in diesem Zusammenhang ebenfalls oft gesprochen. Interessante Überschneidungen gibt es hier mit der Miljöpartiet, wenn von einer nachhaltigen Arbeitswelt, einer Nachhaltigkeit in Umweltfragen und nachhaltigen Bemühungen um ein friedliches Zusammenleben gesprochen wird.

Folkpartiet: Hier liegt der Fokus auf Ausbildung. Oft stellt die Centerpartiet in Almedalen Konzepte für Reformen im Schulwesen vor. Besonders Begabte und deren Förderung stehen in diesem Rahmen ebenfalls immer im Fokus. Forschung im Zusammenhang mit Wirtschaft ist ein anderer Schlüsselbegriff. Globalisierung wird grundsätzlich positiv betrachtet.

Moderaterna: In Almedalen verdeutlicht man oft die Gemeinsamkeiten von Schweden und dem Rest Europas. Einerseits lobt man Schweden als Klassenbesten in einer finanziell unruhigen Zeit und verweist auf die erfolgreichen Maßnahmen die man gesetzt hat, andererseits verdeutlicht man die Notwendigkeit der Zusammenarbeit. Die vergleichsweise überschaubaren Staatsschulden im Kontrast zu anderen europäischen Ländern werden ebenfalls oft angesprochen. Wenn über Arbeitsplätze gesprochen wird, liegt der Fokus häufig auf traditionellen Frauenberufen.

Socialdemokraterna: Hier wird regelmäßig die gemeinsame Verantwortung für die Aufrechterhaltung der Demokratie und deren Ausbau angesprochen. Solidarität ist immer ein wichtiges Schlüsselwort. Ebenso die immer größer werdende Kluft zwischen Arm und Reich in Schweden. Immer häufiger wird die Notwendigkeit von der politischen Steuerung und Regulierung der Finanzmärkte thematisiert.

Vänsterpartiet: Ungerechtigkeit ist das Schlüsselwort der Linkspartei. Soziale, globale oder geschlechterspezifische Ungerechtigkeit wird hier angesprochen. Desweiteren wird der Ausbau der Wohlfahrt und die Zurückdrängung von Risikokapitalunternehmen und die Regulierung des Finanzmarktes gefordert.

Miljöpartiet: Für die schwedischen Grünen ist Offenheit ein zentraler Begriff. Offenheit im Umgang mit den Bürger/innen, offener Zugang in Asylfragen, offene Türen im Schulwesen. Man verweist gerne auf die Zugehörigkeit zur immer erfolgreicher werdenden Grünen Bewegung in Europa und glaubt an die Zukunft und eine positive Entwicklung wenn das wirtschaftliche System auf Nachhaltigkeit umgestellt wird. Bei Diskussionen in Almedalen erweisen sich die Grünen Politiker/innen oft als am gesprächsfreudigsten.


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