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Grizzly lernt Schwedisch

Verfasst: 26. August 2015 08:39
von Grizzly2
Anbei mein erster Rentnerreisebericht, wo ich über 3 Wochen auf der Volkshochschule in Göteborg Grundlagen der Landessprache erlernte - Bilder gibt's später.

Borås, 14.8.15
auf meinem (inzwischen dienstunfähigen) Mobiltelefon geschrieben:

Die Fahrt auf der A7 nach Kiel war grauenhaft, eine Baustelle nach der anderen - fuer 79 km über 2 Stunden gebraucht. Die Weiterfahrt auf der Fähre bzw von Göteborg nach Borås verlief dann problemlos. Hatte auf der Faehre einen netten Kabinennachbarn (21 Jahre jung), der in keiner Weise genervt oder geschnarcht und am Ende auch noch mitaufgepasst hat, dass ich nix vergesse (ich haette ja sein Opa sein koennen). Er kam zudem aus Oberfranken (Coburg), wo ich Abitur gemacht hab (in Hof), so dass auch für vertraute Ortsthemen gesorgt war.

In meiner Klasse an der Folksuniversitet (Straßenbahnhaltestelle Järntorget) ist von Japan bis Argentinien alles vertreten, die Hälfte (8 von 16) deutschsprachig. Wobei ich auch hier der Opa bin, die Japanerin ist 41, alle anderen zwischen 18 und 31.

Zwischendurch besuche ich meine inzwischen 95jährige Tante in Ulricehamn, das liegt ca 100 km östlich. Weshalb ich diesmal mein Auto mitgenommen und ein Quartier auf halber Strecke habe. Von dort fahre ich mit Bus/Bahn nach Göteborg oder eben mit dem Auto weiter nach Ulricehamn, bzw abends ins Vandrarhem von Borås. Schon das Parken am Borås' Bahnhof kostet 20 Kronen Minimum pro Tag, und in Göteborg ist es unbezahlbar, also besser Monatskarte.

Am 2. Tag hab ich einen Mordsschreck gekriegt, weil mein Auto muckte. Auf dem Tachodisplay leuchte ein Symbol auf, das ich noch nie gesehen hatte. Fuhr zur Werkstatt, fragte einen Menschen der zwar freundlich war aber keine Ahnung hatte, startete wieder - und alles war normal, und blieb es bis heute. Das Auto wollte wohl signalisieren, dass es auch noch da war.
Meine Schwester meinte, ihre Bekannte hätte ihrem Auto was vorgesungen, dann fuhr es besser. Sollte ich vielleicht auch machen - am besten morgens die Marseillaise, ist ja schliesslich ein Franzose (Renault). Allerdings kann ich nur den halben Text der 1. Strophe.

Selbstkritik:
Das nächste Mal lass ich das Auto wieder daheim. In Göteborg und ganz Västergötland gilt meine Monatskarte (Västtrafiks Regionen Runt für 1680 SEK), und für Ulricehamn incl. Tantenausflüge kann ich das Taxi nehmen (das Heim liegt 2 km auf dem Berg). Dagegenrechnen muss man nicht nur Stress, Sprit und Autofährkosten, sondern auch die Parkgebühren und in Göteborg ggf die Citymaut (ausser Sonntag).
Gut, ohne Auto haette ich das dienstägliche Veteranbiltreffen (tolle Oldtimer aus S, D und den USA) in Borås nicht entdeckt, aber weiss ich ja wo das ist - falls es nächstes Jahr wieder stattfindet. Zum Marktplatz (Stora Torget) vom Bahnhof aus kann man das laufen.

Das Wetter ist angenehm, aber deutlich kühler als, soweit ich das mitbekommen hab, zZt in Deutschland. Wenn abends die Sonne weg ist, wirds auf meinem Campingplatz, an den das Vandrarhem angeschlossen ist, schnell kuehl u.v.a. feucht vom Tau - ich sitz meistens draussen, weil mein Winzzimmer nur zum Schlafen taugt. Und morgens brauch ich die Jacke, die herumzuschleppen mich dann tagsueber zusaetzlich ins Schwitzen bringt. Naja - Schwitzen ist gesund.
(PS.: Inzwischen wirds auch hier wärmer, die morgendliche Jacke ist verzichtbar und die sicherheitshalber mitgeschleppte dünne Regenjacke reicht fuer morgens/abends völlig).

Gestern hab ich was gelernt, was meine letzte Klinikchefin (Psychiaterin und Feministin) in helle Begeisterung versetzt haette. Die hatte immer kritisiert, dass aus einer beliebig grossen Lehrerinnengruppe eine Lehrergruppe wird, sobald auch nur 1 männlicher Kollege dazukommt. Im Schwedischen ist das zwar meistens auch so, aber es gibt mindestens 2 Ausnahmen:
FRÖKEN (Fräulein) gibt's zwar sonst nicht mehr, ist aber eine populäre Kinderbezeichnung für Grundschullehrer (ja, auch für Männer !), und mein früher mal erlernter Beruf, der hier geschlechtsuebergreifend SJUKSKÖTERSKA dh Krankenschwester heisst. So meldete ich mich gestern bei einer Telefonierübung im Kurs, bei der ich einen Klinikmitarbeiter zu mimen hatte, korrekterweise mit SYSTER GRIZZLY. Den Spitznamen hab ich jetzt wohl weg.

Mehr später :wink:

Re: Grizzly lernt Schwedisch

Verfasst: 26. August 2015 08:42
von Lukä
:superok:

Re: Grizzly lernt Schwedisch

Verfasst: 26. August 2015 08:51
von Lin
Klasse, toller Bericht, vielen Dank dafür! :)

Re: Grizzly lernt Schwedisch

Verfasst: 26. August 2015 12:20
von kellle
Sehr unterhaltsam. :thumbsup: :thumbsup: :thumbsup: :thumbsup:

Re: Grizzly lernt Schwedisch

Verfasst: 26. August 2015 19:12
von maggan
:daisy: Danke für die Unterhaltung!
Dass man auch die Männer sjuksköterska nennt , warum nicht ...skötare? Konnte mir auch niemand im Heim meiner Mutter erklären, warum das so ist.

Re: Grizzly lernt Schwedisch

Verfasst: 27. August 2015 08:35
von Grizzly2
@ Maggan:
Sjukskötare steht zwar in meinem alten Wörterbuch von 1969, aber es sagt anscheinend keiner.

PS I zu oben:
In der 2. Kurswoche hat sich mein Tagesablauf soweit eingespielt, dass ich keinen Wecker mehr stellen müsste. Ich wach zwischen 5 und 5:30 auf, mach mich fertig, zuckele vom Campingplatz, an den das Vandrarhem angeschlossen ist, durch das um diese Zeit noch ziemlich leere Borås bis unter die Bahnhofsbrücke, wo ich den billigsten Parkplatz ausgemacht habe. Wackle über die Brücke und genehmige mir bei Pressbyrån im Bahnhof ein Frühstück.
Am liebsten nehme ich den Zug 6:58, weil ich da mehr Beinfreiheit hab und so besser schlafen kann - für die Fortsetzung der alten Schülertradition, die Hausaufgaben morgens im Zug zu machen, bin ich zu müde. Auch haben die meisten Züge keine Tischchen (ausser den ganz neuen, an einigen Plätzen). Die Busse fahren zwar im Halbstundentakt, aber nachdem ich mal grad noch rechtzeitig aufgewacht bin, bevor der Fahrer sein Fahrzeug zusperren konnte, ziehe ich endgültig den Zug vor. Dazu hatte er seinen Doppeldeckerbus schon auf einem abseitigen Platz geparkt - anscheinend hat er vergessen das Oberdeck zu kontrollieren. Im Zug passiert das nicht, der bleibt im Bahnhof erstmal stehen, und das Putzkommando kommt gleich nachdem der Letzte ausgestiegen ist (oder auch nicht).
"Är du insomnat ?" oder sowas ähnliches war der ganze Kommentar des Busfahrers. "Insomna" heisst also einschlafen, wieder was gelernt.
Interessant. Im Psychiaterdeutsch bezeichnet Insomnie, dass man NICHT schlafen kann.

Re: Grizzly lernt Schwedisch

Verfasst: 27. August 2015 09:29
von Framsidan
maggan hat geschrieben::daisy: Danke für die Unterhaltung!
Dass man auch die Männer sjuksköterska nennt , warum nicht ...skötare? Konnte mir auch niemand im Heim meiner Mutter erklären, warum das so ist.
Darüber habe ich mich auch gewundert. Im täglichen Gebrauch ist es nur die "Sköterska" Ich muss z.B. heute till sköterskan, eine Spritze ist fällig.

Re: Grizzly lernt Schwedisch

Verfasst: 27. August 2015 10:35
von Grizzly2
Wohl weil das männliche Pendant nach meiner Beobachtung immer noch die statistische Ausnahme ist - ursäkta, lieber Lukä.

Re: Grizzly lernt Schwedisch

Verfasst: 27. August 2015 19:23
von Grizzly2
Inzwischen bin ich nach dem Crash meines Smartphone auch im Besitz eines schwedischen Billigmobiltelefons, dessen Display kein Deutsch versteht. Und da ich mit technischen Anleitungen egal in welcher Sprache eh auf Kriegsfuß stehe, hab ich die schwedische Version gelassen - englisch wär noch gegangen, sonst halt die nordischen Sprachen.
Heut hab ich ihn mal, nach vorherigem Durchzählen der Möglichkeiten für den Rückweg, kurz auf Finnisch umgestellt - aufgrund meiner traumatischen Erfahrung von vor ein paar Jahren, als ich mein Gerät versehentlich auf Türkisch verstellt und in Panik die nächste Dönerbude aufgesucht hab, weil ich den Rückweg nicht mehr fand. Nun gibt es hier genug Dönerbuden, aber find mal einen Finnen hierzulande ...
Inzwischen spricht das gute Stück wieder Schwedisch mit mir, und so kommt man dahin:
Asetukset = Einstellungen
Yl. Käyt. asetukset = Telefoneinstellungen
Puhuleminen kieli = Sprachwahl
Dann gibt er die möglichen Sprachen an, d.h. wenn Du dort bist, hast Du gewonnen.